Maria die wahre Mutter

■ Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mal mit einer jungen Frau, die in einem protestantisch bzw. inzwischen atheistisch geprägten Land lebt, in welchem die christliche Religion wie in vielen anderen Ländern Europas in der Öffentlichkeit praktisch keine Rolle mehr spielt. Sie teilte mir in einem Gespräch mit großem Bedauern mit, wie sehr und wie vehement sich Bekannte in ihrem Umfeld dagegen aussprechen, dass man überhaupt Kinder bekommen wolle. Denn wenn man erst ein Kind habe, dann werde man ja viele schlaflose Nächte verbringen müssen, und wenig Zeit für andere Dinge werde man dann ja haben, und nicht mehr ausgehen und feiern werde man dann ja können, und viel Geld würde es ja kosten... Und zwar bekam jene junge Frau diese ganzen Einwände zu hören, weil sie bei Gelegenheit mal anmerkte, dass sie sich nach der eigenen Hochzeit Kinder wünsche.
Und wie der Zufall oder eher die Vorsehung es wollte, traf ich kurze Zeit darauf mit einer anderen jungen Familie zusammen, die gerade ein kleines Kind hatten, auf welches sie nach ihrer Hochzeit übrigens sogar einige Zeit warten mussten. Mich an jenes Gespräch erinnernd packte ich die Gelegenheit beim Schopf und fragte die betreffenden Eltern, ob sie es denn nicht auch ein bisschen bereuten, dass sie jetzt ein Kind haben und dadurch bedingt eben nicht wenig Entbehrungen auf sich nehmen müssen.
Die junge Mutter meinte sofort: Nein, auf keinen Fall! Natürlich seien sie jetzt wenig ausgeschlafen und müssten auch sonst ihren gesamten Tagesablauf auf ihr Kind einstellen - da gibt es sonst wenig Freiräume. Aber sie bedauerten nicht im Geringsten, dass sie jetzt ihr Kind bekommen haben. Im Gegenteil, sie selbst liebe ihr Kind so sehr, dass sie am liebsten auch die ganzen Schmerzen ihres Kindes auf sich selbst laden und ertragen würde (wenn dies ginge), wenn ihm eben etwas fehlt, wehe tut oder es einfach krank wird. Und der junge Vater ergänzte, er würde alles für sein Kind tun, so sehr liebe er es. Und man konnte auch am Umgang der betreffenden Eltern mit ihrem Kind deutlich sehen, dass allein die Tatsache, dass sie dieses Kind haben, sie bei weitem für all die Mühen und Entbehrungen entschädige, welche sie für es in Kauf nehmen müssen!
■ Wahrscheinlich werden nun die meisten Eltern, die diese Zeilen lesen oder auf das betreffende Thema angesprochen werden, bestätigen, dass sie eine ähnlich intensive und aufopferungsbereite Liebe zu ihren eigenen Kinder empfinden, zumal wenn diese klein und/oder hilfsbedürftig sind. Wie oft beobachtet man dies im eigenen Verwandten- oder Bekanntenkreis, mögen die betreffenden Kinder vielleicht schon selbst Erwachsene sein und eigene Kinder haben. Man muss wohl wie auch immer gestört sein, wenn man sich als Vater oder Mutter etwa hartherzig, unbarmherzig oder grob lieblos seinem eigenen Kind gegenüber verhalten sollte.
Und wenn schon eine solche selbstlose Liebe der Eltern zu ihren Kindern als ganz normal und sogar als selbstverständlich angesehen wird für uns, Normalbürger, warum sollten wir uns denn dann wundern, dass auch Maria eine mindestens genauso starke Liebe zu ihrem göttlichen Sohn Jesus empfand? Hatte sie sich denn nicht wie jede andere Mutter riesig gefreut, als sie ihren neugeborenen Sohn auf den Armen hielt und Ihm zugesprochen oder für Ihn ein Liedchen gesungen hat? Hatte sie denn nicht ebenfalls große Glücksgefühle erfahren, als sie Ihn stillte oder ihren Verwandten zeigte? Hatte sie denn nicht in sich auch den Willen und die Absicht erweckt, alles für Ihn zu tun und sich für Ihn sogar ganz aufzuopfern? Warum sollte denn Maria anders gewesen sein als jede andere gute und liebevolle Mutter?
Musste sie denn nicht von größter Sorge um ihr Kind erfüllt gewesen sein, als sich für sie als hochschwangere Frau “kein Platz in der Herberge” gefunden hat (Lk 2,7) und die Geburt sich dann in einem Stall vollziehen musste? Und welche große Freude muss denn Maria als Mutter empfunden haben, als dann die Hirten vom Feld zur Krippe kamen und wohl auch von den zuvor an sie ergangenen Erläuterungen des “Engels des Herrn” berichteten (vgl. Lk 2,10-12). Nicht umsonst heißt es im Evangelium: “Maria aber bewahrte und erwog alle diese Dinge in ihrem Herzen” (Lk 2,19f).
Und welcher Schmerz muss das Herz einer Mutter erfüllen, wenn ihr das prophezeit wird, was Maria vom Greisen Simeon zu hören bekam: “Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen des Widerspruchs. - Auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen. - So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden” (Lk 2,34f).
Dann wieder das Glück um ihr Kind zu sehen, wie die drei Weisen aus dem Morgenland schlussendlich mit einer “überaus großen Freude” das Haus betraten und “das Kind mit Maria, Seiner Mutter sahen. Sie fielen nieder und huldigten Ihm. Dann taten sie ihre Schätze auf und brachten Ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrre” (Mt 2,10f).
Und was muss es für Maria bedeutet haben, als sie und der hl. Josef auf Geheiß des Engels nach Ägypten fliehen mussten, weil Herodes Jesus ermorden wollte (vgl. Mt 2,13-15). Sicherlich tat es ihrem mütterlichen Herzen nicht nur ein bisschen weh, schmerzhaft zu erleben, dass ihrem Kind gerade deshalb nachgestellt wird, weil Er die Menschen von ihren Sünden erlösen werde (vgl. Mt 1,21)! Diese Erkenntnis, dass ihr Sohn nämlich nicht nur wie jedes andere Kind ist, sondern auch und gerade deswegen verfolgt wird, weil Er Gottessohn und (künftiger) Erlöser der Menschen ist, muss für Maria eine viel höhere Stufe an seelischem Schmerz bedeutet haben!
Man berücksichtige dann die Furchtbarkeit der Situation, als Maria nämlich erfahren musste, dass Herodes “in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiet alle Knaben von zwei Jahren und darunter” umbringen ließ, nur um Jesus, den Sohn Mariens, treffen und brutal liquidieren zu können (Mt 2,16)! Erstens der gewaltige und unvorstellbare Kummer um ihr eigenes Kind (weil Er nämlich auch die göttliche Natur in sich trug und mit Seiner Tötung wohl auch die Erlösung verhindert worden wäre!) und zweitens das herzzerreißende und abgrundtiefe Mitgefühl mit allen jenen Müttern, deren kleinen Söhne in einem blutigen Massaker ihr Leben für Jesus lassen mussten. Maria war allein deshalb eine ganz besondere Mutter, weil sie solche unvorstellbaren Schmerzen um ihres göttlichen Sohnes willen ertrug (die sonst keiner einzigen der anderen Mütter zugedacht wurden oder jemals werden), ohne an Gott und dessen Vorsehung zu verzweifeln oder Seine Entscheidungen irgendwie in Frage zu stellen! Ohne einen felsenfesten Glauben an den himmlischen Vater und die restlose Ganzhingabe an Ihn, ihren Sohn, hätte sie das entsprechende Meer an Schmerzen sonst sicherlich nicht aushalten können, ohne an ihrer Seele irgendwie Schaden zu nehmen!
■ Angesichts dieser Erkenntnisse auf der Grundlage der hl. Schrift erscheint es als geradezu absurd, es manchen Protestanten nachzumachen und anzunehmen, Jesus habe sich bewusst von Maria distanziert und wollte nichts mit ihr zu tun haben. Vor allem berufen sich die heutigen “Freikirchler” dabei gern auf die Stelle Joh 2,4: “Was habe Ich mit dir zu tun, Weib? Noch ist Meine Stunde nicht gekommen.”
Nun, erstens stellt der Text der Vulgata, der offiziellen lateinischen Übersetzung des Neuen Testamentes, diese Stelle nicht als eine schroffe Zurückweisung Mariens durch Jesus dar. “Quid mihi, et tibi est mulier?” besagt zwar, dass Jesus zu erkennen gibt, dass Er die Wunder nicht im Auftrag eines Menschen, sei es auch Seiner Mutter, wirkt, sondern im Namen und Auftrag Seines himmlischen Vaters: “Ein Wunder also verlangte die Mutter, aber da er im Begriffe steht, göttliche Taten zu vollbringen, erkennt er gewissermaßen die Mutter nicht an, gleich als wollte er sagen: Was an mir ein Wunder tut, hast du nicht geboren (Aug. Tr. 8).”1
Aber dies bedeutet nicht, wie jene Protestanten es fälschlicherweise annehmen, als ob sich Jesus komplett von Maria lossagen wollte: “Somit bedeutet die Loslösung von der Mutter, die im Worte Jesu sicher liegt, nicht im geringsten Zurückweisung ihres Anliegens, sondern eher beginnende Erfüllung ihres unausgesprochenen Wunsches - eben durch das Wunder, das Jesus allerdings nicht als ihr, sondern als des ewigen Vaters Sohn wirkt. So hat Maria selbst das Wort aufgefasst, wenn sie alsbald die Diener, die wohl unter ihrer Aufsicht standen, anweist: ‘Tut, was er euch sagt.’ Die anscheinende Abweisung Jesu und die folgende Gewährung der Bitte stehen in ähnlichem Zusammenhang, wie die Antwort des zwölfjährigen Jesus im Tempel auf die Klage der Mutter und der anschließende Bericht: ‘Und er ging mit ihnen hinab nach Nazareth und war ihnen untertan’ (Luk 2,49-51).”2
Vor allem ist dabei auch der grundsätzliche menschliche Aspekt zu berücksichtigen. War denn Jesus wirklich bar jeglicher gesunden Empfindung Seiner eigenen Mutter gegenüber, dass Er nicht sehen konnte oder nicht anerkennen wollte, was sie für Ihn alles getan hatte und wie viel an selbstloser und opferbereiten Liebe sie Ihm als Seine menschliche Mutter während Seiner ersten 30 Lebensjahre zukommen ließ? Wenn schon wir trotz aller unserer Fehler, sittlicher Gebrechen und Sünder durchaus in der Lage sind, die heroischen Leistungen unserer Eltern anzuerkennen und zu schätzen, um wie viel mehr war dann das mitfühlende Erlöserherz Jesu dazu fähig! Die betreffende Behauptung jener Protestanten anzunehmen, würde bedeuten, Jesus etwa als einen höchst undankbaren und äußerst hartherzigen Grobian hinzustellen.
Und wer begleitete denn dann Jesus auf Seinem furchbaren Kreuzweg, als viele der bisherigen Jünger verzweifelten und sich von Ihm abwandten? Maria, Seine Mutter! Sie als seine weinende Mutter hätte wohl ebenfalls all die Schmerzen Jesu am liebsten auf sich selbst genommen und an Seiner Stelle erlitten, wenn dies ginge. Warum soll man denn Maria als der reinen und edlen Mutter Jesu das absprechen, was jene eingangs erwähnte Mutter sowie die meisten sonstigen Mütter und Väter gern für ihre Kinder tun würden?
Wer war denn unter dem Kreuz Christi anzutreffen, nachdem sogar Petrus Ihn dreimal verleugnete und floh, obwohl er Ihm noch kurz zuvor feierlich die Treue schwur? Maria, Seine Mutter! Wer hat Ihm denn in der dunkelsten Stunde Seines Lebens, wo Er doch furchtbares Leid erfuhr, unverbrüchlich die Treue gehalten, wobei Ihn ja auch die übrigen Apostel verließen? Maria, Seine Mutter! Wer hat sich denn auch durch die Lästerung, den Spott und Hohn der Vorübergehenden, Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten nicht beirren lassen und harrte unter dem Kreuz mit einem wunden und blutenden Herzen aus? Maria, Seine Mutter! Fürwahr wurde ihre Seele von einem Schwert durchdrungen, wie der Greis Simeon bei der Darstellung Jesu im Tempel an die Adresse Mariens prophezeite!
Es stimmt, keine wie auch immer gestufte rein biologische Verwandtschaft zählt bei Gott. “Denn nur wer den Willen Meines Vaters im Himmel tut, der ist Mir Bruder, Schwester, Mutter” (Mt 12,50). Aber hat sie denn nicht in ihrem gesamten Leben immer nur den Willen Gottes getan, mit der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel angefangen und bis unter das Kreuz ihres Sohnes? Wer wäre denn so vermessen und wollte sich da mit ihr überhaupt messen? Wer hat für Jesus mehr empfinden und mitfühlen (können) als Seine leidende Mutter, den sie seit Seiner Geburt um sich herum hatte? Man soll ihre Mutterschaft Jesu bitte unbedingt ernst nehmen!
Und gerade Jesus wusste das zu schätzen! Er hängt am Kreuz und erleidet furchtbarste Qualen, um das Sühneopfer darzubringen und die Menschheit der Macht der Unterwelt zu entreißen. Und dennoch kümmert Er sich in dieser dunklen Stunde und dem Augenblick der äußersten Ohnmacht insofern rührend um Maria, dass Er sie ausdrücklich der Obhut des hl. Apostels Johannes überantwortet: “Als Jesus nun die Mutter und den Jünger, den Er liebte, dabeistehen sah, sagte Er zu Seiner Mutter: ‘Frau, da ist dein Sohn!’ Dann sagte Er zu dem Jünger: ‘Da ist deine Mutter!’ Von jener Stunde an nahm der Jünger sie in sein Haus auf.” (Joh 19,26f) Jesus weiß, dass sie nun nach Seinem Tod und der späteren Himmelfahrt allein, ohne Mann und Kinder, zurückbleibt und somit in der damaligen Gesellschaft in jedem Fall auf Schutz seitens einer anderen Person angewiesen ist. Er erfüllt Seine Kindespflicht und drückt damit auch Seine Wertschätzung und Dankbarkeit für ihren gesamten Lebenseinsatz für die Sache Gottes aus! Wie kann man angesichts dieser Tatsache noch behaupten (absurderweise), Jesus wollte nichts mit Maria zu tun haben oder habe sie bewusst von sich zurückgewiesen?
“Die Väter erkennen in dieser letzten Fürsorge des Herrn für seine Mutter mitten im eigenen namenlosen Todesweh einen Akt zärtlicher Kindesliebe, wodurch er uns Vorbild sein wollte für die Erfüllung des vierten Gebotes. ... Von ihrer mütterlichen Liebe getrieben, achtete sie keiner Gefahr. Aber auch der Herr am Kreuz achtete seiner Schmerzen nicht und traf mit kindlicher Liebe die letzte Vorsorge für sie. ... Gewiss war die liebende Fürsorge des sterbenden Sohnes für die verwaiste Mutter ein letzter Trost. ...
Wenn Paulus das kühne Wort wagt, dass er an seinem Fleisch ergänze, was Christi Leiden noch abgeht zum Heil des Leibes, seiner Kirche (vgl. Kol 1,24f.), dann ist das in weit vollerem, ganz einzigartigem Sinn an Maria wahr geworden. In der Stunde der Verkündigung hatte sie die Pflichten und Rechte einer Mutter des Gottessohnes und Erlösers der Welt auf sich genommen und damit sich bereit erklärt, als gehorsame Magd am Heilsratschluss Gottes dienend mitzuhelfen. Da darf sie in der großen Stunde, da dieser Ratschluss sich erfüllen sollte, an der Seite des Erlösers nicht fehlen. Mit dem ewigen Vater, der seinen eingeborenen Sohn für das Heil der Welt hingibt, und mit dem Sohn selbst, der im liebenden Gehorsam gegen den Vater sich opfert, gibt auch sie als Mutter ihren Sohn dahin.”3
■ Und wie Maria mit ihrem Sohn Jesus mitfühlte und sich aufopferungsvoll für Ihn einsetzte, so hofft und vertraut die katholische Kirche und das gläubige Volk, dass sie nun ihre mütterlichen Gefühle vom Himmel her auch uns zuwendet, die wir doch in Johannes ihre geistigen Kinder geworden sind. Beten wir zu ihr und rufen wir sie um ihre wirksame Fürbitte am Thron Gottes für uns und die ganze katholische Kirche an, damit sie auch uns gegenüber als selbstlose Mutter in Erscheinung tritt bzw. als eine eifrige Vermittlerin der göttlichen Gnade erweist.
Kürzlich feierten wir wie jedes Jahr am 24. September das Fest der allerseligsten Jungfrau Maria von der Erlösung der Gefangenen. Das Fest wurde eingeführt zur Erinnerung an die Gründung des Ordens der Mercedarier (zum Loskauf der christlichen Gefangenen aus der Gewalt der Sarazenen) durch die hll. Petrus Nolaskus (Fest am 31. Januar) und Raymund von Penaforte (23. Januar). Durch Innozenz XII. wurde es 1696 auf die ganze Kirche ausgedehnt.
Im Breviarium Romanum lesen wir darüber: “Als der größte und zwar der fruchtbarste Teil Spaniens unter dem harten Joch der Sarazenen schmachtete und unzählige Christen elendiglich unter grausamer Knechtschaft standen, unter größter Gefahr, den christlichen Glauben zu verleugnen und das ewige Heil zu verlieren, da trat die allerseligste Himmelskönigin in ihrer Güte diesen vielen, großen Übelständen entgegen und offenbarte ihre übergroße Liebe in der Befreiung dieser Gefangenen. Die allerseligste Jungfrau selbst erschien nämlich freudigen Angesichts dem hl. Petrus Nolaskus... Die Jungfrau sagte ihm, es sei ihr und ihrem eingeborenen Sohne sehr erwünscht, wenn zu ihrer Ehre ein Männerorden gestiftet würde, dem die Sorge, die Gefangenen aus der Sklaverei der Türken zu befreien, obliege. Durch diese himmlische Erscheinung erquickt, brannte nun der Gottesmann von wunderbarer Liebesglut und sann nur noch über das eine nach in seinem Herzen, wie er und der von ihm zu stiftende Orden diese Liebe mit Eifer üben könne, dass ein jeder für seine Freunde und seine Nächsten sein Leben einzusetzen bereit wäre. ...
Gott selbst schenkte durch die jungfräuliche Mutter diesem Orden ein glückliches Gedeihen; die Stiftung verbreitete sich schnell und leicht über die ganze Erde; sie hatte in ihren Reihen viele durch Liebe und Frömmigkeit ausgezeichnete Männer, die die bei den Christengläubigen gesammelten Almosen als Lösegeld für ihre Mitmenschen verwandten, ja bisweilen sich selbst hingaben zur Erlösung vieler. Um für diesen großen Gnadenerweis und diese Stiftung Gott und der jungfräulichen Mutter den schuldigen Dank abzustatten, gestattete der Apostolische Stuhl die Feier des heutigen besonderen Festes sowie die Verrichtung des Stundengebetes.”4
So wollen auch wir heute die Mutter Jesu, die Muttergottes, in unseren Gebeten anflehen, sie möge auch für uns in der Gegenwart bei ihrem göttlichen Sohn ihre wirksame Fürbitte einlegen. Dabei denken wir sowohl an alle unseren wichtigen und berechtigten persönlichen Anliegen als auch an die gegenwärtig höchst aktuelle Sorge um die Bewahrung des katholischen Glaubens und des christlichen Bewusstseins in unseren Familien, in unserer Gesellschaft und im Volk! Aber wollen wir bei diesem eifrigen und beharrlichen Gebet auch nicht vergessen, auch selbst auf die mannigfachen Winke Gottes aufmerksam zu hören, um dann Seinen heiligen Willen - trotz der vielfachen äußeren wie inneren Widerstände - möglichst getreu zu erfüllen. Dann dürfen wir ebenfalls darauf vertrauen, dass auch die heutige gewaltige Glaubens- und Kirchenkrise ihren Sinn hat (der letztendlich wohl nur dem lieben Gott bekannt ist), und auch wir dann unseren bescheidenen Beitrag zur gottgewollten Lösung der bestehenden Probleme leisten können und dürfen!

P. Eugen Rissling

1 Rebstock, P. Bonaventura, Vom Wort des Lebens. Gedanken zum Johannes-Evangelium im Geiste der heiligen Väter. Verlag Laumann/Dülmen in Westfalen, 1939, 1. Band, S. 61.
2 Ebd., S. 61.
3 Ebd., S. 279f
4 Deutsches Brevier. Vollständige Übersetzung des Stundengebetes der römischen Kirche. Verlag Friedrich Pustet Regensburg, 2. Band, S. 810f.


Frage einer Leserin: “Sehr geehrte Damen und Herren, können sie mir folgende Frage bitte beantworten:
Warum heißt die Mutter Gottes, Mutter Gottes und nicht Mutter Jesu, weil sie ja Jesus und nicht Gott geboren hat?”

Antwort: In Jesus Christus (die 2. Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit) ist ja Gott Mensch geworden. So vereinigt die Person Jesu in sich zwei Naturen: die göttliche und die menschliche, wobei die menschliche Natur Jesu nicht von Seiner göttlichen Natur etwa “verschluckt” worden wäre. Somit ist Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch - sowohl besaß Er göttliche Vollmachten auf Erden (z.B. die Macht, Wunder zu wirken; den Vorausblick in die Zukunft; die Sündenvergebung) als auch war Er wie jeder andere Mensch leidensfähig (Er litt ja nicht nur so, zum Schein).
Die Vereinigung der betreffenden zwei Naturen in Jesus Christus wird von der katholischen Theologie “Hypostatische Union” (“Hypostase” - griechisch “Natur”) genannt. Da aber diese göttliche und menschliche Naturen in Jesus nur eine einzige Person bilden, ist es statthaft, sowohl die menschlichen Eigenschaften auf Jesus als Gott zu beziehen (so z.B.: “Gott leidet”, “Gott stirbt”) als auch Seine göttlichen Eigenschaften Ihm als Mensch zuzuschreiben (so z.B.: “Der Mensch Jesus vergibt Sünden”, “Der Mensch Jesus ist von den Toten auferstanden”).
Natürlich hat Maria Jesus als einen Menschen, sozusagen “nur” Seine menschliche Hülle, geboren. Dennoch ist es wegen der gerade dargelegten wechselseitigen Beziehung der beiden Naturen Jesu berechtigt, Maria auch als Gottesgebärerin, als Mutter Gottes zu bezeichnen. Dies ist sogar einer ihrer größten Ehrentitel! Denn die beiden Naturen Jesu kommen ja in Ihm nicht etwa getrennt voneinander vor oder treten nur separat voneinander auf, sondern bilden eine einzige ungeteilte Person, den Gottmenschen Jesus Christus.”

 

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